2. Praxisbeispiel zu Flipped Classroom

2.2. Die Selbstlernphase des Flipped Classroom-Konzepts

In der Selbstlernphase erfolgt die Auslagerung der Theorieinhalte, indem die Lernenden sich, beispielsweise mit Videos, Podcasts oder schriftlichem Material, zu Hause damit auseinandersetzen. Dabei treibt die Pädagogik die Technologie an und nicht umgekehrt, weil der Fokus bei Anwendung dieses Modells nicht auf einem technikkonzentrierten Unterricht liegen soll. Auch laut Jonathan Bergmann und Aaron Sams stehen beim umgedrehten Unterricht die Lernenden - nicht die Lehrenden - im Zentrum.

Beim erwähnten Praxisbeispiel schauen sich die Schülerinnen und Schüler einmal pro Woche ein von der Lehrperson erstelltes Video an, das zwischen 5 und 10 Minuten lang ist. Dabei geht es nicht nur darum, sich die Videos anzusehen, sondern sich aktiv mit dessen Theorieinhalten zu beschäftigen. Um diese aktive Auseinandersetzung zu gewährleisten, werden Quizfragen in das Video eingefügt. Die Lernenden erhalten sofort Rückmeldung, ob sie die Frage richtig oder falsch beantwortet haben. Die interaktiven Elemente werden mittels H5P hinzugefügt. Mit diesem kostenlosen Tool können auch bestehende YouTube-Videos interaktiv gestaltet werden.

Zusätzlich zum interaktiven Video müssen die Schülerinnen und Schüler eine Zusammenfassung abschreiben, die von der Lehrperson zur Verfügung gestellt wird.

Da es sich beim umgedrehten Unterricht um kein starres Konzept handelt, bei dem immer ein Erklärvideo am Anfang des Lernprozesses stehen muss, kann auch selbst entdeckendes Lernen im Unterricht ermöglicht werden. So kann ein Impulsvideo als Hausübung aufgegeben werden, um Grundwissen zu aktivieren. In der Präsenzphase sollen die Lernenden dann beispielsweise über selbst entdeckendes Lernen mit einem GeoGebra-Applet in der Unterrichtsstunde etwas herausfinden. Anschließend müssen sie sich als Hausübung in der Nachbereitung mit den Theorieinhalten dazu auseinandersetzen.

Die Videos werden von der Lehrperson auf eine Lernplattform hochgeladen. So kann kontrolliert werden, ob die Lernenden das Hausübungsvideo angeschaut haben. Falls die Schülerinnen und Schüler, während sie das Video anschauen, Fragen haben, können sie sie in ein Forum auf der Lernplattform posten. Die Lehrperson beantwortet sie in der nächsten Unterrichtsstunde.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Erklärvideos zu produzieren. Bei diesem Praxisbeispiel werden die Videos mit Office Mix, einem kostenlosen Zusatztool für die neueste PowerPoint Version, und einem Tablet mit Stifteingabefunktion produziert. Es handelt sich dabei um sogenannte Screencasts, d. h. es wird nur der Bildschirm des Computers abgefilmt, die Lehrperson ist nicht zwingend zu sehen. Zusätzlich können auch verbale Erklärungen aufgenommen werden, während die Lehrperson beispielsweise auf dem Tablet mit dem Stift rechnet oder gerade zeigt, wie eine Aufgabe mit Hilfe von Technologieeinsatz gelöst wird.

Quellen:

Schallert, S. (2015). Das umgedrehte Klassenzimmer: Traum oder Wirklichkeit? Mathematik unterrichten mit dem Flipped Classroom-Konzept.

Baker, W. J. (2000). The ‘Classroom Flip’: Using Web Course Management Tolls to Become
the Guide by the Side. In: Chambers, J.A. (Ed.), Selected Papers from the 11th International
Conference on College Teaching and Learning. Jacksonville, Florida: Florida Community
College at Jacksonville: 9-17.

Bergmann, J., Sams, A. (2012). Flip your classroom: Reach every student in every class
every day. Washington, DC: ISTE.

Handke, J., Sperl, A. (Hrsg.) (2012). Das Inverted Classroom Model: Begleitband zur ersten
deutschen ICM-Konferenz. München: Oldenbourg Verlag.

Handke, J., Kiesler, N., Wiemayer, L. (Hrsg.) (2013). The Inverted Classroom Model: The
2nd German ICM-Conference-Proceedings. München: Oldenbourg Verlag

Sams, A. (2012). Der „Flipped“ Classroom. In: Handke, J./Sperl, A. (Hrsg.). 2012. Das
Inverted Classroom Model: Begleitband zur ersten deutschen ICM-Konferenz. München:
Oldenbourg Verlag. 13-23.

Spannagel, C. (2012). Selbstverantwortliches Lernen in der umgedrehten
Mathematikvorlesung. In: Handke, J./Sperl, A. (Hrsg.). 2012. Das Inverted Classroom Model:
Begleitband zur ersten deutschen ICM-Konferenz. München: Oldenbourg Verlag. 73-81.

https://wiki.zum.de/wiki/PH_Heidelberg/Bausteine