Onlinecampus Review

Handbuch E-Learning

Ausgabe: #2 Dezember 2012
Rubrik: Publikationen
Institution: Onlinecampus Virtuelle PH

Autor/innen: Patricia Arnol, Lars Kilian, Anne Thillosen, Gerhard M. Zimmer

Erscheinungsdatum: 2013 (3. aktualisierte Auflage)
Verlag: W. Bertelsmann
Hardcover (auch als e-Book erhältlich)
ISBN: 978-3-7639-5182-6

Das Handbuch E-Learning wirft einen wissenschaftlichen Blick auf die Praxis von E-Learning an Universitäten und Hochschulen. Es werden von Qualitätssicherung über didaktische Konzeption von Mobile Learning unter Einbeziehung von Augmented Reality bis hin zur Nachhaltigkeit und rechtlichen Aspekten alle Themen abgedeckt, die für die Implementierung von E-Learning an wissensvermittelnden Institutionen relevant sind. Um Unklarheiten vorzubeugen, werden einzelne Themen oft mit Begriffsdefinitionen begonnen, und lassen sich dadurch auch von Menschen ohne Expertenwissen auf diesem Gebiet leicht erschließen.

Das umfangreiche Werk hier in seiner Gesamtheit darzustellen, bedeutet das Unmögliche zu versuchen und so wird im Folgenden nur eine kleine Auswahl an subjektiv interessanten Aspekten des Buches verdichtet und verkürzt dargestellt.

Das Buch stellt eine Pflichtlektüre für alle dar, die sich mit E-Learning beschäftigen und zeigt auf, wie E-Learning erfolgreich umgesetzt werden kann, aber auch warum E-Learning an vielen Universitäten und Ausbildungsstätten nicht funktioniert. Ein bedeutender Aspekt stellt diesbezüglich die Schaffung von E-Learning-Kompetenzzentren dar. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Lehrenden oft nicht über das nötige Know-How und die nötigen zeitlichen Ressourcen verfügen, um E-Learning gewinnbringend in der Lehre einzusetzen. Das in solchen Zentren verfügbare Wissen kann dieses Manko ausgleichen und stellt eine wichtige Säule bei der Implementierung von E-Learning dar.

Werden die Erkenntnisse aus dem Handbuch auf die des NCoC (National Center of Competence) Virtuelle PH angewandt, so zeigt sich, dass hier viele Aspekte die Möglichkeiten von E-Learning zu nutzen, um Lehre nachhaltiger und qualitativ hochwertiger zu gestalten, vorbildlich umgesetzt wurden. Im Bereich Qualitätssicherung konnten sogar neue Maßstäbe gesetzt werden, die über den Erkenntnisstand des Buches hinausgehen. Weiters zeigt sich, dass der Onlinecampus im Vergleich zu den Praxisbeispielen des Buches eine Vorreiterrolle im Bereich virtuelle Lern- und Lehrangebote einnimmt. Wobei es in einigen Bereichen wie Augmented Reality oder Gamifizierung noch Aufholbedarf gibt.

Das Buch macht deutlich, dass sich die scheinbaren Gegensätze individualisiertes Lernen und kooperatives Lernen in Wirklichkeit einander bedingen und das Weglassen einer der beiden Komponenten in der Regel zu viel weniger nachhaltigen Lernerfahrungen führt. In diesem Zusammenhang geht es vor allem darum, die eigenen subjektiven Erfahrungen im Kontext einer Gemeinschaft präsentieren zu können und sich gegenseitig auszutauschen. E-Learning kann allein durch die Wahl der Methode und des Lerndesigns, die einen gegenseitigen Austausch der Lernenden untereinander als auch eine diskursive Auseinandersetzung zwischen Lehrenden und Lernenden vorgeben, wie dies zum Beispiel im Rahmen eines kooperativen Onlineseminars der Fall ist, Kritikfähigkeit und Feedbackkultur als implizit vermittelte Kompetenzen fördern, ohne dass dies explizit als Thematik angesprochen wird. Dadurch werden sowohl Lernende als auch Lehrende „zum selbstbestimmten kooperativen Handeln in der Gesellschaft“ angestiftet. Nicht zuletzt durch zahlreiche Studien der aktuellen E-Learning Praxis macht das Buch deutlich, dass sich die Lehre immer mehr von der Vermittlung von reinem trägen Wissen („Vielwisserei und reine Datenspeicherung“) verabschieden und sich Richtung Kompetenzorientierung begeben muss. Die große Gefahr von E-Learning besteht darin, genau das Gegenteil umzusetzen, da dies technisch und automatisiert relativ einfach umzusetzen ist. Das ist auch eine ernüchternde Erkenntnis des Buches, denn genau diese Richtung wird bei der praktischen Umsetzung von E-Learning durch die überwältigende Mehrheit aller Bildungsinstitutionen eingschlagen. So werden die Möglichkeiten von E-Learning vielfach auf Abfragen von trägem Wissen, wie sie mittels automatisierter Tests erfolgt, oder auch nur für die Beurteilungs- und Dokumentenverwaltung reduziert. Somit verwundert es auch nicht, dass nach der anfänglichen Euphorie über die sich anbahnende Lernrevolution, eine allgemeine Katerstimmung eingetreten ist. Diese ist aber alleinig der mangelhaften Nutzung der Potentiale geschuldet, die sich weit weg von partizipativen Bildungsprozessen bewegt. Weitere Faktoren für das Scheitern von E-Learning werden in der mangelnden Finanzierung und falschen Erwartungen (zB Kosteneinsparung durch Ersatz der Lehrenden) verortet.

Ein durchgehendes herausragendes Merkmal des Buches besteht darin, dass E-Learning immer im Zusammenhang des allgemeinen Bildungskontextes gesehen wird. In diesem Zusammenhang wird auch ersichtlich, dass E-Learning an Universitäten und Fachhochschulen nicht dazu fähig ist den direkten zwischenmenschlichen Austausch, der in und rund um Präsenzveranstaltungen passiert, zu ersetzen, sondern allenfalls zu ergänzen. Eine weitere Erkenntnis zeigt, dass der Erfolg von E-Learning nicht von High-Tech-Multimedia Lernmaterialien bestimmt wird, sondern vielmehr deren Integration in ein Methodenarrangement, das die zwischenmenschliche Ebene umschließt. Diese wird auch maßgeblich von den Lehrenden beeinflusst, die wiederum ihr Lehrverhalten um mediendidaktische Kompetenzen erweitern müssen. In diesem Punkt liegt aber ein weiterer Knackpunkt von E-Learning versteckt: E-Learning bedeutet nämlich mit jahrhundertealten Traditionen zu brechen, um für die Durchführung von virtuellen Bildungsangeboten auch gewappnet zu sein.

Das Fazit der aktuellen Praxis von E-Learning könnte wie folgt ausfallen: Die Kombination eines immer stärker werdenden partizipativen Charakters von E-Learning kombiniert mit interaktiver Lernsoftware, kollaborativen Werkzeugen, einfachen Vernetzungsmöglichkeiten und mehr Mut zu einer Feedback-Kultur birgt ein unglaubliches Potenzial, das aber durch das Weglassen der partizipativen Elemente sehr weit davon entfernt ist voll ausgeschöpft zu werden. Angesichts dieses ernüchternenden Befundes zeigt dieses Buch aber Wege auf, um all die möglichen Stolpersteine für die eigene E-Learning-Praxis mit Leichtigkeit zu überspringen.

Rezensiert von David Bogner