Onlinecampus Review

»Warum fragt ihr nicht einfach uns?«: Mit Schüler-Feedback lernwirksam unterrichten

Ausgabe: #4 Februar 2013
Rubrik: Publikationen
Institution: Onlinecampus Virtuelle PH

Autor/innen: Regine Berger, Dietlinde Granzer, Wolfgang Looss, Sebastian Waack

Erscheinungsdatum: 28. Januar 2013
Verlag: Beltz
ISBN-10: 3407628765
ISBN-13: 978-3407628763

Dieses im Februar 2013 erschienene pädagogische Praxisbuch macht zum Thema, was der australische Bildungsforscher John Hattie „the power of feedback“ nennt. Feedback ist – so die deutschen Autor/inn/en des Werks – ein leider derart inflationär gebrauchter Begriff, dass er bereits fast sinnentleert scheint. Dabei beschreibt er eigentlich ein ganz grundlegendes Denkwerkzeug, das uns befähigt, unser Handeln und seine Konsequenzen sowie unsere „Selbstwirksamkeit und unser Miteinander als Menschen zu verstehen“. Unser Tun provoziert unausweichlich auch eine Reaktion, eine Rückmeldung von „der Welt da draußen“. Was aber macht aus irgendeiner Form der Kommunikation ein tatsächlich relevantes Feedback? Co-Autor Wolfgang Looss zieht im Buchabschnitt „Was ist eigentlich Feedback“ den Schluss, dass „Kommunikationen immer dann zu einem Feedback (werden), wenn sie aus Sicht des Senders und/oder des Adressaten irgendeine Relevanz für die Beziehung zwischen beiden haben, ganz gleich ob es dabei etwa um gemeinsame Arbeit, Kampf, Spiel oder das persönliche Miteinander geht“. Leider ist dieses Feedback – wie zwischenmenschliche Kommunikation im Allgemeinen – nicht immer so klar und durchaus von Missverständnissen geprägt. Ein gelingendes Feedback bedarf daher einiger Anstrengung und der Einsicht, dass wir alle unterschiedlich sind, sowie auch unsere Wahrnehmung der Welt subjektiv ist. Die Akzeptanz dieser vorherrschenden Differenz ist Grundstein für alle Steuerungsbemühen unseres Handelns, sei es in unserer Arbeit oder in unseren Beziehungen. Zielen wir also – trotz dieser Tatsache – darauf ab, gemeinsam etwas zu erreichen, so benötigen wir eine bewusste Feedbackkultur. Je expliziter, genauer und verständlicher Rückmeldungen sind, desto besser verstehen wir, wie unser Gegenüber die Welt sieht und können Vorgänge besser steuern.

Die Autor/inn/en des Buches betonen, wie wichtig diese bewusste Feedbackkultur gerade in so unübersichtlich erscheinenden Zeiten wie diesen ist. Auch wenn dies das Risiko des Nichtverstandenwerdens mit sich bringt, scheinen wir gezwungen, in einer stetig komplexer werdenden Welt – wo Konventionen, Routinen und erprobte Verfahrensweisen nicht mehr den verlässlichen und gewohnten Halt geben – über „Feedback-Operationen immer wieder einen neuen ‚common ground’ herzustellen, der uns gemeinsames Wirken ermöglicht“. Wolfgang Looss distanziert sich hier aber klar von einem populären, in die Mode gekommenen Feedbackbegriff, der gerne im Sinne einer „Tugend des Kommunizierens“ gebraucht wird. Vielmehr geht es, so der Autor, „ganz handfest darum, in allen möglichen Arbeits- und Lebensbezügen unsere Fähigkeit zur Steuerung gemeinsamer Anstrengungen zu erhalten oder wieder zu gewinnen“. Er unterstreicht damit die im Buch sehr stark vertretene Grundhaltung, dass Feedback ein notwendiger Bestandteil allen gemeinschaftlichen Handelns ist.

Doch wie sieht es nun konkret mit der Wirkung von Feedback im Schulalltag aus? Co-Autorin Dietlinde Granzer unterstreicht – anlehnend an John Hatties bekannte Metastudie zu den Wirkungsfaktoren des Lernens – den großen Einfluss von Feedback auf den Lernerfolg, betont aber auch, dass in Bezug auf die Wirksamkeit klar zwischen unterschiedlichen Formen des Feedbacks differenziert werden muss. Als eine äußerst wirksame Form bzw. Grundlage von Feedback wird die „formative Leistungsbeurteilung“ genannt, die nach Hatties umfangreicher Metastudie immerhin auf Platz 3 der wichtigsten Einflussfaktoren beim Lernen rangiert. Sie fokussiert auf das Schließen von „Lücken“ im Lernprozess und soll nicht als „für sich stehende Momentaufnahme des Lernstands“, sondern als Grundlage für direkte Rückmeldung von Seiten des/der Lehrenden gelten. Feedback soll in diesem Fall konkrete Aussagen zur Erreichung des Lernziels bzw. Hinweise zur Weiterarbeit liefern. Wie dies genau funktionieren kann, zeigen die Autor/inn/en anhand des „Hattie-Modells für erfolgreiches Feedback“. Demnach kann Feedback auf vier Ebenen (Aufgabe, Lernprozess, Selbstregulation, Selbst) ansetzen und wird von folgenden drei Feedback-Fragen beeinflusst: „1. Feed up: Wohin geht es?“, „2. Feed back: Wie geht das?“, „3. Feed forward: Wie weiter?“. Diese Fragen sollten Lehrkräfte und Lernende laut Hattie im Lernprozess beantworten können. Das Verständnis dafür, auf welchen Ebenen Feedback ansetzen kann und wie es auf den vier genannten Ebenen wirkt, gilt weiters als Grundvoraussetzung von Seiten der Lehrkraft.

Neben diesem Modell für erfolgreiches Feedback beschreibt das vorliegende Buch auch die in Hatties „Visible-Learning Studie“ (Hattie, 2009) deklarierten „lernrelevanten Faktoren“ näher: Demnach gelten neben SchülerInnen, Schule (als Organisation), Familie und sozialer Herkunft sowie Curricula und Unterricht insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer als einflussreichste Faktoren. Ihr Tun, ihr Verhalten gegenüber den SchülerInnen, sowie ihre Organisation der Lehr-Lern-Prozesse ist entscheidend für das Fördern oder Behindern von Lernen. Aber nicht nur die Lehrenden werden angehalten, durch Sichtbarmachen und Reflektieren des eigenen Handelns regelmäßig dessen Wirksamkeit zu überprüfen und nachzujustieren, indem sie kontinuierlich Feedback einholen, sondern auch die SchülerInnen selbst sollen lernen, positiv und bewusst mit Feedback umzugehen bzw. ihr eigenes Lernen zu reflektieren und gegebenenfalls neue Strategien zur Erreichung der vorgegebenen Ziele zu finden. So sollen Letztere mit professioneller Unterstützung durch die Lehrkraft selbst herausfinden, wie sie am besten lernen und individuelle selbstgesteuerte „Lernwege“ gehen. Als konkreter Lösungsansatz wird an dieser Stelle z.B. das Führen eines Lerntagebuches genannt.

Im Buchabschnitt „Einführung von Schüler-Feedback“ wird aber auch hervorgehoben, dass – so wichtig das Ernstnehmen von Schüler/inne/n und ihrer Meinung über Unterricht und Schule ist – Schüler/innen-Feedback nicht ungewollt zur „Lehrerschelte“ werden darf. Damit dies nicht geschieht, ist von Seiten der Lehrperson die nötige persönliche Distanz gefragt. Das Feedback von SchülerInnen-Seite ist vielmehr „als Entwicklungsinstrument für den eigenen Unterricht {...} und nicht als Bewertungsinstrument für die eigene Person“ zu sehen. Das Interesse an den Rückmeldungen der Schüler/innen und die Überzeugung, dass eine gemeinsame, positive Weiterentwicklung des Unterrichts möglich ist, sind laut den Autor/inn/en hierfür unabdingbar.

Mitautorin Regine Berger schlägt mit ihrem Beitrag „Schüler-Feedback als Teil der Schulentwicklung“ schließlich eine Brücke zwischen „Lehr-Lern-Prozess“-Ebene und der Ebene der Schulentwicklung. Sie merkt an, dass mittlerweile omnipräsente und scheinbar etablierte Begriffe wie „Bildungsstandards“ und „Kompetenzorientierung“ leider oft von einer fehlenden inhaltlichen Klärung begleitet werden. Hier muss laut der Autorin noch der Sprung von der Theorie zur Praxis geschafft werden. Daran anknüpfend widmet Berger sich der zentralen Frage, wie „Erkenntnisse nicht nur geschrieben und gelesen werden, sondern zu einer nachweislich veränderten Lern- und Schulkultur führen“. Das deutsche Autor/inn/en-Team bleibt hier aber nicht bei leeren Phrasen, sondern gibt ganz konkrete, strategische Hilfestellungen für den wirksamen Einsatz von Feedback: Fast die Hälfte des Werkes wird dem Thema „Schüler-Feedback in der Praxis“ gewidmet. Die erprobten Praxisbeispiele werden jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und bieten zahlreiche Materialien, nicht nur für Schüler/innen und Lehrkräfte, sondern auch für Schulleiter/innen, Fachexpert/inn/en und Eltern. Auch das Arbeiten mit Online-Verfahren und brauchbaren Tools kommt nicht zu kurz.

Nicht nur mit theoretisch gefestigtem Background, sondern zugleich sehr handfesten und praxisnahen Beispielen gehen die AutorInnen auf das Thema Feedback und seine Bedeutung für lernwirksamen Unterricht ein. Besonders im Kapitel zur Schulentwicklung wird klar, dass trotz aller positiv motivierten Bestrebungen rund um die Schule und ihre Entwicklung der Fokus auf den Kern der Sache nicht verloren gehen darf: Das Lernen selbst. So gesehen ist dieses Buch auch ein Aufruf zum „Neueinstieg in die nur scheinbar selbstverständliche Gesamtthematik des Lernens der Schülerinnen und Schüler“. Die theoretischen Grundlagen, sowie die Beleuchtung des Themas aus sehr unterschiedlichen Perspektiven bilden gemeinsam mit dem großen Praxisteil ein interessantes Gesamtpaket und machen dieses Werk zu einer erkenntnisreichen Lektüre, die zum Weiterdenken anregt.