Onlinecampus Review

Ich schraube, also bin ich: Vom Glück, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen

Ausgabe: #3 Jänner 2013
Rubrik: Publikationen
Institution: Onlinecampus Virtuelle PH

Autor: Matthew B. Crawford, Übersetzer: Stephan Gebauer

Erscheinungsdatum: 2011 (deutsche Ausgabe)
Verlag: List Taschenbuch Amerikanische Originalausgabe: 2009; Shop Class as Soul Craft. The Penguin Press

Der Sommer bietet für viele im Schulbereich Tätige eine Auszeit vom hektischen Alltag und die Möglichkeit ihr eigenes Tun, die Gewohnheiten, die Möglichkeiten und Grenzen des Systems und die Sinnhaftigkeit festgefahrener Rituale zu reflektieren. Eine inspirierende Lektüre dazu stellt Crawford’s „Ich schraube, also bin ich“ dar.

Der Autor weiß, wovon er spricht. Als promovierter Philosoph und Geschäftsführer eines Think Tanks kam er eines Tages zu dem Punkt, an dem er sich fragte, wofür er eigentlich bezahlt werde. Geistig und körperlich ermüdet von der Denkarbeit im Büro und dem anschwellenden Gefühl der Nutzlosigkeit besann er sich, eine neue berufliche Richtung einzuschlagen, die widersprüchlicher nicht klingen kann: Er kündigte seine Leitungsstelle im Think Tank und eröffnete seine eigene Motorradwerkstatt. Das Buch ist weder Fiktion noch eine spirituelle Huldigung der Handwerkskunst. Es geht um den gesellschaftlichen Stellenwert manueller Arbeit – aufgerollt im historisch-philosophischen Kontext – und den laut Crawford weitverbreiteten Trugschluss, dass manuelle Arbeit keine geistige wäre; ganz im Gegenteil, denn der Autor „[empfindet] manuelle Arbeit oft auch als geistig fesselnder“. Vor allem aber geht es um Zufriedenheit und persönliches Glück im Schaffen mit den eigenen Händen.

Crawford beschreibt handwerkliches Tun als „zeitloses Ideal“, welches jedoch in Vergessenheit geraten ist, ja sogar gesellschaftlich abgewertet wird. Der sozial-gesellschaftliche Stellenwert einer Person steigt mit dem Grad ihrer Ausbildung und ihrem professionellem Werdegang, speziell im Bereich der Wissensarbeit. An diesem Bild zu zweifeln liegt in Anbetracht des Kontexts der globalen Wirtschaftskrise der letzten Jahre gar nicht so fern: Menschen bekommen immer mehr ihre Abhängigkeit von der globalen wirtschaftlichen Stabilität zu spüren, und auch ein Universitätsstudium bietet keine Garantie mehr für eine sichere Karriere. Gerade in dieser Situation wird sich so manch eine/r mit Crawford denken: „Ich möchte mich nützlich machen“.

Der Autor beschreibt auf sehr spannende Weise die Erfüllung und den persönlichen Nutzen, die manuelle Arbeit bringt. Die Frage, „wer von der Arbeit profitieren soll: die internationalistische Ordnung des abwesenden Kapitals oder ein Individuum, das persönliches Wissen besitzt“, beantwortet er klar. „Die Befriedigung, die der Möglichkeit entspringt, sich mit handwerklichem Können konkret in der Welt Geltung zu verschaffen, verleiht einem Menschen Ruhe und Gelassenheit. Sie scheint ihn von dem Zwang zu befreien, seinen Wert mit wortreichen Interpretationen seines Selbst begründen zu müssen. Er kann einfach darauf zeigen: Das Gebäude steht. Das Auto fährt. Die Lampen brennen.“

Crawford veranschaulicht seine Überlegungen mit Beispielen aus seiner Motorradwerkstatt, die LeserInnen zum Schmunzeln, Lachen und Kopfnicken verleiten. Die Anekdoten wecken das Bedürfnis, sich lang vernachlässigten Bastelprojekten zu widmen, den Lebensraum mit eigenen Händen zu verschönern oder etwas Kaputtes wieder zum Laufen zu bringen anstatt es zu ersetzen. Gleichzeitig ermöglicht der philosophisch-kritische Blick auf die Bedeutung von Arbeit in unserer Gesellschaft eine Selbstreflexion eigener Praktiken sowie eine lustvolle Veränderung dieser.

Der Onlinecampus Virtuelle PH wünscht Ihnen ein entspannendes sommerliches Lesevergnügen und freudvolles, glückliches Schrauben!

Rezensiert von Astrid Brunner