Onlinecampus Review

Wie gehe ich mit Vielfalt um? Eine Handlungsanleitung nach dem Sudoku-Prinzip.

Ausgabe: #8 Juni 2013
Rubrik: Publikationen
Institution: Onlinecampus Virtuelle PH

Autoren: Renate Huber

Verlag/Jahr: Waxmann, 2013ISBN: 978-3-8309-2959-8

Renate Huber richtet in ihrem Buch zum Umgang mit Vielfalt den Blick auf vielschichtige Identitäts-Aspekte, die das Individuum – uns selbst und unser Gegenüber – je nach Kontext und persönlicher Erfahrungswelt formen. Wie schon der Titel des Buches verrät: es geht um Reflexion der eigenen und scheinbar „fremden“ Identität(en) und dem Agieren im Miteinander. Das Buch stellt ein Handbuch zur Kommunikation dar, in dem es Identitäts-Aspekte wissenschaftlich und historisch fundiert aufrollt, um zu einem tieferen Verständnis für die Komplexität von Vielfalt zu führen. Und – wie der Titel ebenfalls suggeriert – erfolgen daraus Handlungsstrategien nach dem Prinzip eines beliebten Zahlenrätsels.

Huber positioniert sich einerseits als Autorin sehr persönlich durch Anekdoten, die meist aus ihrer Erfahrungswelt und ihrer Historie gegriffen sind und sie holt die Leserin/den Leser erzähl-strategisch somit auch in ihrer/seiner Erfahrungswelt ab. Der Erzählstil dieser Erfahrungen ist lebhaft und humorvoll, legt Spannungsfelder zwischen Identitätsentwürfen frei und macht Lust in die semantische, historische und soziokulturelle Entstehungsgeschichte einer Identitätsdimension einzutauchen. Analog zu den neun Zahlen des Sudoku-Rätsels wählt die Autorin neun Identitätsbausteine, welche sie keineswegs als finite Anzahl möglicher Identitätskategorien oder in sich geschlossene Entitäten sieht, für deren Auswahl sie jedoch schlüssig argumentiert. Es handelt sich dabei um folgende „Unterschiedlichkeiten“: Sprache, Religion, „Hautfarbe“, Nationalität/Ethnizität, Geschlecht, Generation, (Berufs-)Milieu/Lebenswelt, sexuelle Orientierung und Individualkollektiv. Wie das Sudoku-Prinzip in der Sichtweise auf diese Identitäts-Aspekte im Handlungsfeld funktioniert, wird einführend dargestellt und im zweiten Teil des Buches anhand von Beispielen näher erklärt. Soviel sei gesagt: Querdenken ist im Sudoku-Prinzip kein Widerspruch. Im Gegenteil, es ist die Basis dieses Prinzips, ebenso wie die Basis des Verständnisses komplexer Identitäten.

So vielschichtig wie sich die Materie des Buches darstellt, hat das Werk Potential ein ebenso vielschichtiges Spektrum an Lesemotivationen im Hinblick auf die Bedürfnisse der LeserInnen zu erfüllen. So können die neun Kapitel der „Unterschiedlichkeiten“ in beliebiger Reihenfolge und je nach erfahrungsweltlicher und individueller Relevanz gelesen werden. Historisch, semantisch und/oder kulturell Interessierte kommen ebenso auf ihre Kosten, wie LeserInnen, die ihren Fokus auf systemische Handlungsanleitungen zum Umgang mit Vielfalt lenken möchten. Die Verknüpfung von vertieftem, komplexem Wissen mit konkreter Praxis und lebensweltlichen Erfahrungen gelingt Huber, die wissenschaftlich in den Cultural Studies verankert ist, überaus gut. Und das obwohl, oder gerade eben weil, das Buch bewusst nicht als (rein) akademischer Text verfasst wurde.

Huber beschreibt in ihrem Buch keine Lösungen oder Rezepte zu „richtigen“ Handlungsstrategien. Diese müssen von der/vom Leser/in stets selbst ausverhandelt werden. Und genau dabei kann das Sudoku-Prinzip helfen: Möglichkeiten und Sichtweisen auf Identitäts-Aspekte von verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, Dynamiken zu verdeutlichen sowie Wahrnehmungen zu schärfen und in neue Richtungen zu lenken.